Knochenbearbeitung

Ein Besuch im Schlachthaus

"Im Mittelalter waren Rohstoffe teuer und die Arbeitszeit billig." Diese Aussage verfolgt uns seit Beginn unserer Reenactment-Zeit.

Wenn man zum Beispiel ein Tier geschlachtet hat, dann verwertete man alles - von der Nase bis zum Schwanzspitzerl. Die Engländer haben dafür den vielsagenden Begriff "snout to tail-eating". Verwertung hört aber beim Essen noch lange nicht auf. Es wurden nicht nur jedes noch so kleine Stückchen Fleisch, sondern alle Organe, dann das Fell, die haut und auch Knochen weiter verwendet.

Bei unserer Recherche sind wir immer wieder darauf gestoßen, dass sehr viele alltägliche Artikel aus Horn oder Knochen hergestellt waren, unter anderem Nadeln, Ziergegenstände, Schmuck und auch Spielzeuge wie zB Würfel.

So etwas macht einen natürlich neugierig. Gut, das macht vermutlich nicht jeden neugierig, aber unser Hobby lebt genau von dieser Neugier und so hat Sebastian sich auf die Suche nach adäquatem Testmaterial gemacht.

Füdig wurde er schlussendlich im Linzer Schlachthof. Man schenkte uns zwei große Mittelfußknochen vom Rind , da diese sonst entsorgt werden (ja, so ist das leider heute). Zu Sebastians Leidwesen waren das aber keine sauberen Knochen, sondern Knochen frisch von der Schlachtbank, mit - nun, nennen wir es - "Rückständen vom Rind".

Es gibt mehrere Methoden um Knochen zu reinigen und für die weitere Bearbetung vorzubereiten - die meisten davon bedienen sich der modernen Chemie. Die erste Frage, die sich hier also stellt lautet: Was ist eine mittelalterliche Methode,  Knochen frei von Rückständen zu bekommen. Wie hat man das damals gemacht?

Eingehende Recherchen brachten dann einige Arten der Reinigung zu Tage, die schon im Mittelalter und/oder auch davor, bekannt waren.

Möglickeit 1 - der Speckkäfer

Speckkäfer sind in Europa verbreitete Insekten, die sich -  der Name lässt es vermuten - von Fleisch ernähren, jedoch nur von totem Es sind also Aasfresser.

In mehreren Knochenschnitzerforen geht das Gerücht um, dass diese Tierchen verwendet wurden, um Fleisch schnell von Rückständen zu befreien. Dass diese, nachgewisenen, Schädlinge jedoch eingefangen wurden, um in einem Haus ihre Arbeit zu tun, scheint uns etwas unlogisch. Auch wir wollten nur ungern Ungeziefer in Wohnungsnähe haben, somit schied diese Methode vorzeitig aus.

Nachtrag zum Speckkäfer

Wir sind bei unserer Recherche auf einen Speckkäfer-Züchter gestoßen - diese Tiere werden tatsächlich speziell zur Knochenreinigung eingesetzt und extra gezüchtet. Für unsere Bedürfnisse sind sie aber, weil nach wie vor Schädlinge, nicht geeignet.

 

 

Möglichkeit 2 - wir beerdigen eine Kuh

Wie die Überschrift andeutet, gibt es die Möglichkeit, die Knochen zu vergraben und der Natur ihren Lauf zu lassen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass dies eine gängige Methode war, die Mensch mit viel Zeit wählten bzw.  Aasfressern und gelegentlich auch einem Hund sehr sympathisch ist:

Man grabe ein Loch, befülle es mit zukünftigem Arbeitsmaterial, fülle das Loch wieder mit Erde - dann braucht man nur noch ein bis mehrere Jahre warten, je nach Menge der Rückstände am Knochen.

Und genau aus diesem Grund, dem Zeitfaktor, haben wir uns auch gegen diese Methode entscheiden. Sollten wir aber doch einmal einen Versuch starten, gibt´s auf jeden Fall eine Rückmeldung.

 

 

Möglichkeit 3 - es gibt Suppe

Die dritte und vermutlich schnellste Methode besteht darin, Knochen zu köcheln, bis sie frei von allen Rückständen sind. Das Wasser darf dabei nicht kochen, sondern nur bei mäßiger Hitze ziehen. Es empfiehlt sich außerdem, das Wasser immer wieder zu wechseln.

Ein sehr ernst gemeinter Tipp von unserer Seite: so was macht man im Freien, über´m Lagerfeuer! Was auch immer man nämlich von Rindersuppe halten mag, Rinder-Mittelfußknochen-Suppe stinkt. Und das über mehrere Stunden, bis auch das letzte Fitzelchen Knorpel und Fleisch abgekocht ist.

Danach müssen die Knochen nur noch austrocken und dabei eine schöne weiße Farbe bekommen. Dann sind sie eigentlich fertig zur Weiterverarbeitung.

Aus eigener Erfahrung ist dazu anzumerken, dass wir nach einem Besuch im Schlachthaus und einer mehrstündigen Kochsession die Knochen nicht mehr sehen (und vorläufig auch nicht mehr riechen) wollten.

Die weitere Verarbeitung und Berichte darüber sind also verschoben. Wir melden uns mit Updates, wenn es Neuigkeiten gibt.